22. März 2012, 13:59  3 Kommentare

Wann die Kinder kommen: Zeitmaschine

Geburten: Wann und wie viele?

Obwohl dieses Datentool im März 2012 online ging, sind nur die Geburten bis 2010 enthalten. Warum – in den Zeitungen liest man doch teilweise schon sehr zeitnah über die jüngste „Babywelle“ in Gemeinde, Stadt oder Land?

Stimmt. Aber diese Zahlen sind meistens falsch. Tatsächlich gibt es aussagefähige Zahlen darüber, wann wo wie viele Kinder zur Welt kamen, erst im August des Folgejahres, und zwar bei den statistischen Ämtern (nicht etwa bei den Krankenhäusern!). Für die Monate des Jahres 2012 also im August 2013. Das Statistische Bundesamt (destatis) veröffentlicht diese Daten mit dem Quellenhinweis „Tabelle N30“. Nur dieser Quelle sollte man trauen.

Zwar liegen auf den verschiedenen Ebenen der amtlichen Statistik – Standesämter der Gemeinden und Städte, statistische Landesämter und Bundesamt – schon vorher Angaben zu den Geburten nach Monaten vor. Aber sie sind noch nicht richtig zugewiesen. Weder räumlich noch zeitlich.

Die Neugeborenen werden nämlich zunächst dem Ort zugeschrieben, an dem sie registriert wurden. Das ist häufig z.B. dort, wo das Krankenhaus ist, in dem die Mutter niederkam. Vom Wohnort der Eltern, der meistens eigentlich interessiert, kann dies um einiges entfernt sein, zumal in ländlichen Gebieten (u.a. deshalb sind auch Kliniken als direkte Datenquellen nicht unbedingt geeignet). Nicht einmal die Zuordnung nach Ländern stimmt zu diesem Zeitpunkt, denn einige gebären nicht in dem Bundesland, in dem sie wohnen.

Zeitlich tragen die amtlichen Geburtsmeldungen zunächst den Monat ihrer Lieferung bzw. amtlichen Bearbeitung, nicht aber den der tatsächlichen Geburt. Oft stimmen beide nicht überein. Gerade zum Jahreswechsel nicht, wenn viel Feiertage sind. Dann ist häufig nicht einmal das Geburtsjahr richtig.

Verloren sind die korrekten Angaben natürlich nicht. Es dauert nur einige Monate, bis die amtlichen Statistiker sie alle bearbeitet, untereinander abgeglichen und bestätigt haben. Wenn letztlich die N30-Daten vorliegen, stimmt alles.

Solche N30-Zahlen stecken auch in der Zeitmaschine von „Wann die Kinder kommen“. Destatis gibt bloß die Gesamtsummen pro Monat heraus. Um saisonale Abweichungen der einzelnen Monate vom Jahresmittel richtig zu berechnen, muss man unbedingt zuerst die Tagesdurchschnitte bilden, die Monatssummen also durch die korrekte Zahl der Tage in jedem Monat teilen (mit Rücksicht auf Schaltjahre).

Sonst kann allein der Unterschied von Januar zum Februar einen Unterschied von Minus zehn Prozent ausmachen, auch wenn in beiden Monaten pro Tag gleich viele Babys kamen. Denn wenn der Februar nur 28 Tage hat, ist das schon zehn Prozent weniger als im Januar. Man sähe also einen deutlichen Rückgang in der Saison-Grafik, obwohl es gar keinen gibt.

Zeugungen: Daten aus deutschen Schlafzimmern?

Deutschlands amtliche Statistik erfasst verdammt viel über die Landseinwohner. Aber nicht, wann sie Sex haben, der zu Kindern führt (oder wann sie auf andere Art Nachwuchs zeugen). Für die Zeitmaschine musste eine krude Berechnung als Krücke herhalten: Zeugungsmonat = Geburtsmonat – neun Monate.

Die tatsächliche Schwangerschaftsdauer festzustellen, ist selbst für die Wissenschaft eine schwierige Sache. Es gibt verschiedene Definitionen, unter anderem die übliche Berechnung des Geburtstermins auf ein Datum, das 40 Wochen nach der letzten Regel liegt. Die Minis geben sich aber ziemlich unberechenbar, und ihre Ankunft schwankt deutlich um dieses Datum.

Dass die 40-Wochen-Regel überhaupt angewendet wird, liegt daran, dass meistens weder Frauenärzte noch Eltern den Tag der Empfängnis (= Tag der Zeugung – ggf. auch etwas später) exakt kennen. Zieht man von den 40 Wochen die übliche Zeit zwischen Ende der Monatsblutung und Beginn der fruchtbarsten Tage im Zyklus ab, landet man auch nur in etwa bei neun Monaten. Denn alle beteiligten Zeitdauern sind nicht scharf festzumachen.

Viel besser als mit der kruden Neun-Monats-Regel geht es also nicht. Ein genauerer Zeitabstand wäre hier auch sinnlos, da die Geburten, aus denen sich der Zeugungszeitpunkt berechnet, auch nicht tagesgenau vorliegen, sondern nur als Monatsangabe.

Sei’s drum. Der Fehler der Zeugungszeiten in der Zeitmaschine ist auf jeden Fall nicht größer als zwei Monate. Genau genug, um darüber zu sinnieren, was die Eltern wohl treibt, es ausgerechnet zu dieser Jahreszeit zu tun.

Schiebt man den Jahresregler der Zeitmaschine auf 2010 oder 1948, fehlen die Zeugungsangaben für einige Monate: April bis Dezember bzw. Januar bis März. Wollte man für diese Monate auch Zeugungszahlen anzeigen, müsste man die entsprechenden Babyzahlen in den Monaten vor Januar 1949 bzw. nach Dezember 2010 kennen. Die liegen aber beim statistischen Bundesamt (noch) nicht vor.

1790 Babys werden an einem Märztag geboren (jüngster Durchschnitswert für 2010). Wie viele das sind, zeigt ein Bild mit allen Neuankömmlingen auf einmal. In anderen Monaten kommen allerdings mehr Kinder, zum Beispiel im Hochsommer. Es gibt regelrechte Geburten-Hochs und -Tiefs nach Jahreszeiten.

Verschieben Sie den Jahreszahl-Schieber in der interaktiven Grafik unten, um zu sehen, wie die durchschnittlichen Tagesgeburten in den einzelnen Monaten vom Jahresmittel abweichen. Ein saisonaler Effekt lässt sich fast in jedem Jahr erkennen. Doch seit der Nachkriegszeit hat er sich um ein halbes Jahr verschoben. Wechseln Sie zwischen den Ansichten Geburten und Zeugungsakte um auch zu sehen, wann im entsprechenden Jahr wie viele Kinder gezeugt wurden. Warum machen die Deutschen in manchen Monaten lieber Kinder als in anderen? Lesen Sie mehr darüber im ausführlichen Blog-Post „Wann die Kinder kommen“.

Tipp: Klicken Sie Ihren Geburtsmonat direkt in der Kurve an, um ihn festzuhalten. Wechseln Sie zu den Zeugungsakten, um zu sehen, wann Ihre Eltern den Startschuss für Ihr Leben gegeben haben.

Quelle: Statistisches Bundesamt 2012, Daten auf Google Docs

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