
Es ist im Prinzip ein einfacher Versuch: Eine Teilchenkanone (in der Graphik oben links) schießt nacheinander einzelne Elektronen auf eine Blende mit zwei parallelen Spalten. Dahinter befindet sich ein spezieller Schirm, der sich dort schwarz färbt, wo ein Elektron einschlägt.Welches Punktmuster wird nach einiger Zeit zu sehen sein? Stellt man sich Elektronen als billiardenfach verkleinerte Fußbälle vor, die durch den einen oder anderen Spalt fliegen, dann erwartet man keine Überraschungen: Die meisten schwarzen Punkte sollte es genau hinter den Spalten geben.
Doch es passiert etwas anderes: Schaltet man die Elektronenquelle ein, so scheint es zunächst, als erzeugten die einzelnen Elektronen auf dem Schirm ein rein zufälliges Muster (rechts oben). Je mehr Teilchen aber die Platte schwärzen, desto deutlicher werden Streifen sichtbar: An manchen Stellen treffen sehr viele, an anderen gar keine Elektronen auf. Die Streifen ähneln dem Muster, dasWasserwellen erzeugen, wenn sie durch einen doppelte Öffnung laufen.
Im Doppelspaltexperiment benehmen sich die Elektronen demnach wie Wellen. Trotzdem zeigt der Schirm Einschläge wie von einzelnen Teilchen.Wenn es aber Teilchen sind, müßte sich herausfinden lassen, durch welchen Spalt sie fliegen, bevor sie den Schirm treffen. Doch selbst die ausgeklügeltsten Experimente, um die Teilchen beim Durchqueren der Spalte oder auf ihrem Weg zum Schirm zu beobachten, scheiterten:Wann immer man das versuchte, verschwand das Muster.
Denn die Streifen sind eine direkte Folge der Quantennatur der Elektronen, und diese verlieren sie, sobald man sie beobachtet – etwa wenn man ihre Passage durch den einen oder anderen Spalt nachweist. Bevor sich ein Elektron dem Beobachter durch Schwärzung am Schirm bemerkbar macht, kann die Quantenmechanik das Muster voraussagen: Die sogenannte Wellenfunktion der Elektronen gibt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Teilchen wo auf dem Schirm registriert wird. Je mehr Teilchen dort einschlagen, desto ähnlicher werden sich Punktmuster undWahrscheinlichkeitsvoraussage. Wo genau ein konkretes Teilchen aber eintrifft, sagt die Quantenmechanik nicht.
Diese Erklärungslücke versucht die „Kopenhagener Deutung“ zu schließen, indem sie schlichtweg verbietet, während des unbeobachteten Fluges durch den Spalt zum Schirm von einem Teilchen oder dessen Weg zu sprechen. Bevor es nicht registriert wurde, existiert einfach kein Elektron, nur eben dessen Wellenfunktion (die durch ein rotes Netz angedeutete Fläche in der Mitte der Graphik). Die Zufälligkeit, mit der ein Teilchen hier oder dort auftaucht, gilt als fundamentale Eigenschaft der Materie, sie ist Elektronen oder Atomen „intrinsisch“.
Die Interpretation David Bohms geht dagegen davon aus, daß es jederzeit reale Teilchen gibt. Sie fügt der Standard-Quantentheorie eine weitere Gleichung hinzu, nach deren Maßgabe die Wellenfunktion die Teilchen auf realen Bahnen (rote Linien unten) leitet – auch wenn diese mitunter ungewöhnlich kurvig ausfallen können. So läßt sich auch für das Doppelspaltexperiment der Weg jedes Elektrons berechnen – im Computer zumindest.
Auch die Bohmschen Bahnen werden sofort unkenntlich, wenn man versucht, sie zu vermessen. Damit führt die Bohmsche Theorie zu denselben experimentellen Ergebnissen wie die gewöhnliche Quantentheorie. Doch sie löst die Doppelspaltfrage: Bei Bohm gibt es immer Welle und Teilchen gleichzeitig. Die Welle geht durch beide Spalten, das Teilchen nur durch einen. Die Bahnberechnungen sagen sogar, durch welchen: Schlägt ein Teilchen links der gedachten Mittellinie zwischen den Spalten auf den Schirm, nahm es den linken, sonst den rechten Spalt.
Die Wellenfunktion führt die Teilchen dabei so, daß sich das bekannte Intensitätsmuster ergibt. Die Wahrscheinlichkeit ist hier keine intrinsische Eigenschaft der Materie mehr. Nur ein einziges Mal spielt sie eine fundamentale Rolle: Zu Anbeginn der Welt müssen die Positionen aller Teilchen im Universum entsprechend der Wahrscheinlichkeit verteilt sein, die die Gesamtwellenfunktion des Universums vorschreibt. Dann ist ihre Verteilung automatisch für alle Zeiten so, wie es die Standardinterpretation derWellenfunktion fordert. Das heißt auch: Alles ist seit jeher exakt vorherbestimmt. Für manche ist daher der höchste Preis, den sie für das verständliche Teilchenbild der Bohmschen Mechanik zahlen müssen, die Vorstellung einer vollkommen deterministischen Welt.
0 Kommentare… einen eigenen schreiben! now
1 trackback